Dienstag, 30. Januar 2007

Steuergerechtigkeit

Soll jeder gleich viel Steuern zahlen? Oder jeder nach seiner wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit?

Alain Steichen eröffnet sein „Manuel de Drot Fiscal“, 1. Band scheinbar ganz lapidar mit dem Satz:

„Le droit fiscal est constitué par l’ensemble des règles juridiques par lesquelles il est procédé à la répartition des dépenses de l’État entre les contribuables d’après des facultés contributives de ces derniers.“

Das Steuerrecht werde begründet durch den Zusammenhang der juristischen Regeln, durch welche die Ausgaben des Staates aufgeteilt werden nach deren jeweiligen Leistungsfähigkeit.

Das, was hier schon in der grundlegenden Definition des Steuerrechts an sich erscheint, wird gerade in der gegenwärtigen Steuerdebatte in Deutschland in Frage gestellt.

Es wurden ernsthaft Vorschläge in die Diskussion eingebracht, dass jeder Steuerpflichtige gleich viel oder den gleich hohen Steuersatz entrichten soll.


Dabei hieß es dazu schon bei Adam Smith:

  • „I. Die Bürger eines jeden Landes sollten eigentlich zur Finanzierung der öffentlichen Aufgaben soweit als möglich im Verhältnis zu ihren Fähigkeiten beisteuern, was bedeutet, dass sich ihr Beitrag nach dem Einkommen richten sollte, das sie jeweils unter dem Schutz des Staates erzielen.“
  • „II. Eine Steuer, die jeder einzelne zu zahlen verpflichtet ist, sollte genau und nicht willkürlich festgelegt sein. Der Steuertermin, die Zahlungsform und der zu entrichtende Betrag sollten für den Steuerpflichtigen und jeden anderen klar und offenkundig sein.“
  • „III. Jede Steuer sollte zu einer Zeit oder auf eine Art und Weise erhoben werden, dass die Zahlung der Abgabe dem Pflichtigen am leichtesten fällt.“
  • „IV. Jede Steuer sollte so erhoben werden, dass sie aus den Taschen der Leute nicht viel mehr nimmt oder heraushält, als sie an Einnahmen in die Kasse des Staates bringt.“

Ist Deutschland auf dem Wege zurück in die Zeit vor der Französischen Revolution?
Alexis de Tocqueville sah in Kapitel X seiner Analyse der Ursachen der Französischen Revolution das Hauptübel darin:
Die Aristokratie und die Reichen waren von der Steuer befreit; zahlen durften die Armen:

„Du moment ou`l’impôt avait pour objet, non d’atteindre les plus capables de le payer, mais le plus incapables de s’en défendre, on devait être amené à cette conséquence monstrueuse de l’épargner au riche et d’en charger le pauvre.“ (S. 182)

Die Steuern sollte zahlen, nicht wer sie am besten leisten konnte, sondern wer sich am wenigsten gegen das Steuerzahlen zu wehren vermochte.

Das an die Adresse der Lobbyisten, die so gerne von „Steuervereinfachung“ schwätzen!


Alain Steichen, MANUEL DE DROIT FISCAL. LE DROIT FISCAL GÉNÉRAL. TOME 1.
Les cours du Centre Universitaire de Luxembourg 2000, Éd. Saint-Paul

Adam Smith, Der Wohlstand der Nationen. 5. Buch: Die Finanzen des Staates.
2. Kap.: Einnahmequellen, dtv klassik, (S. 703 f.)

Alexis de Tocqueville, L’ancien régime et la Révolution,
Éd. Gallimard 1967