Mittwoch, 14. März 2007

EU-Grünbuch Arbeitsrecht

Um Europa wettbewerbsfähiger zu machen, müsse der Arbeitsmarkt „gerechter, reaktionsfähiger und integrativer“ werden. Unter Rückgriff auf die Idee der Flexicurity wird einseitig das Arbeitsrecht als angeblich anpassungsbedürftig herausgegriffen. Das Konzept der Flexicurity umfasst jedoch eine Reihe von Dimensionen, wie insbesondere aktive Arbeitsmarktpolitiken, Konzepte des lebenslangen berufsbegleitenden Lernens und Beschäftigungs- und Einkommenssicherheit bei verschiedenen Vertragsformen. Das Arbeitsrecht ist dabei nur eine Komponente und jedenfalls nicht die entscheidende „Stellschraube“ um in Europa mehr Beschäftigung zu schaffen, wie die Kommission meint. Dieser verkürzte Ansatz der Kommission missachtet zudem die Schutzfunktion des Arbeitsrechtes, und im Übrigen auch die von Tarifverträgen, als Instrument, die strukturelle Unterlegenheit der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bei der Aushandlung ihrer Arbeitsbedingungen auszugleichen.

Der DGB hält eine Debatte darüber, wie Flexibilität mit größtmöglicher sozialer Sicherheit verbunden werden kann für notwendig, denn die arbeits- und sozialrechtliche Absicherung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, insbesondere auch durch europäische Mindeststandards, ist ein zentrales Kennzeichen des europäischen Sozialmodells. Soziale Mindeststandards sind notwendig um die Konkurrenz um soziale Standards in Europa zu begrenzen, das Schutzniveau für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in wirtschaftlich schwächeren Ländern zu verbessern und so eine Angleichung der Arbeitsbedingungen „auf dem Wege des Fortschritts“ –wie es im Vertrag heißt – herbeizuführen. Sie schaffen zugleich faire Wettbewerbsbedingungen für die Unternehmen und wirken einer ruinösen Konkurrenz entgegen. Mehr Flexibilität am Arbeitsmarkt setzt arbeits- und sozialrechtlich abgesicherte Beschäftigungsverhältnisse mit existenzsichernden Einkommen voraus.

Nach Auffassung des DGB muss die Sozialpolitik in der Lissabonstrategie gestärkt werden. Die Verbesserung des arbeitsrechtlichen und sozialen Schutzes durch soziale Mindeststandards ist daher ganz im Sinne der Lissabonstrategie, denn diese stellt nicht nur auf ein Mehr an Beschäftigung, sondern gleichermaßen auf die Verbesserung der Qualität der Arbeit ab. Gerade im Hinblick auf die Anforderungen der Wissen- und Informationsgesellschaft ist die Verbesserung der Arbeitsqualität ein entscheidender Faktor zur Erhöhung von Flexibilität, Produktivität und Innovationsfähigkeit der Unternehmen. Dies belegen wissenschaftliche Studien über den Zusammenhang von Arbeitsqualität und Produktivität und über die Bedeutung, die „gute Arbeit“ aus der Sicht der Betroffenen für ihre Arbeitsmotivation und Leistungsbereitschaft hat. Und auch der Kok-Bericht Beschäftigung von 2003 kommt zu diesem Ergebnis und empfiehlt daher eine umfassende Strategie zur Verbesserung der Arbeitsqualität, um die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Wirtschaft zu steigern. Denn Tatsache ist, „dass eine Anhebung der Qualität der Arbeitsplätze und des Qualifikationsniveaus dazu beiträgt, die Effizienz und Produktivität der Wirtschaft zu erhöhen und die Menschen fester in den Arbeitsmarkt zu integrieren.“ (ebd. S.18) Dieser Qualitätsaspekt wurde bei der Umsetzung der Lissabon-Strategie völlig außer Acht gelassen und der ursprüngliche Ansatz eines produktiven Zusammenwirkens von Wirtschafts-, Beschäftigungs-,Sozial- und Umweltpolitik auf die Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit durch Kostensenkung verengt.

Stellungnahme des DGB

Grünbuch Arbeitsrecht: Arbeitsrecht für das 21. Jahrhundert?