Dienstag, 22. Februar 2011

In welchem Staat sind Steuern zu zahlen?


 


Sowohl der Wohnstaat wie auch der Beschäftigungsstaat können Einkommensteuer erheben. Damit der schaffende Mensch aber nicht zweimal besteuert werde, haben Luxemburg und Deutschland ein Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung abgeschlossen. Diesem zufolge wird das Einkommen aus nichtselbständiger Tätigkeit dort versteuert, wo die Tätigkeit stattfindet.

So schön, so gut. Der Teufel steckt nun aber im Detail. Denn es kann beispielsweise vorkommen, dass ein deutscher Grenzgänger (genauer gesagt: eine Person, die in Deutschland ihren steuerlichen Wohnsitz hat und in Luxemburg beschäftigt ist) zwar bei einem in Luxemburg beheimateten Unternehmen unter Arbeitsvertrag steht, aber zumindest zeitweise nicht in Luxemburg seiner Arbeit nachgeht.

Das ist bekanntlich bei Piloten oder Matrosen die Regel; für diese Kategorien von Beschäftigten gibt es daher spezifische gesetzliche Bestimmungen. Es gilt aber auch für Fernfahrer, Montagepersonal oder Außendienstleute oder andere, die zum Beispiel eine Fortbildung außerhalb Luxemburgs besuchen oder eine Gehaltsfortzahlung bekommen für die Zeitdauer, während der sie nicht an ihrem gewöhnlichen Arbeitsplatz in Luxemburg sind.

Wenn man das DBA buchstäblich nimmt, muss also ein Grenzgänger jede bezahlte Arbeitszeit, die er nicht in Luxemburg verbringt, in Deutschland versteuern. Bisher hat das Finanzamt Trier diese Fälle nicht sonderlich beachtet. In Zeiten der Wirtschaftskrise und der Finanznot der öffentlichen Kassen werden diese möglichen Einnahmequellen aber nicht mehr weiterhin ignoriert. Die Behörden gehen künftig auch das Risiko ein, mehr Papierkrieg zu erzeugen, als das Ergebnis hinterher in die Kasse einbringt.

Das deutsche Finanzamt kann rechtlich gesehen nicht an die Luxemburger Arbeitgeber herantreten, dass diese das deutsche Einkommensteuerrecht beachten. Sehr wohl kann es jedoch beim Beschäftigten, der in Deutschland wohnt, dessen steuerliche Mitwirkungspflicht mit rechtlichen Mitteln erzwingen. Es nützt jedoch dem hiervon Betroffenen wenig, sich auf die bisherige legere Handhabung durch die Finanzbehörden zu berufen. Zwar verlangt die Gewerkschaft OGBL, dass die rückwirkende Anwendung der strikten Interpretation des DBA fallen gelassen werde. Das hängt schließlich von den weiteren Verhandlungen zwischen Luxemburg und Deutschland ab, auch wie in speziellen Fällen wie Krankheitsgeld, Elternurlaub, Freistellung während der Kündigungsfrist oder von Abfindungen bei Vertragsaufhebung die Besteuerungsfrage zu klären sei. In Luxemburg steht gegenwärtig die Frage der Schaffung von Arbeitszeitkonten zur Debatte; man fragt sich, wie zuvor schon bei der Frage von Telearbeit, von welchem besonderen Vorteil (und nicht Nachteil!) diese Gesetzgebung hernach für einen Grenzgänger sein soll.

In jedem Falle sollten Sie, wenn Sie in Luxemburg als in Deutschland wohnender Grenzgänger beschäftigt sind, Ihrer Personalabteilung die Arbeitsstunden melden, die Sie nicht in Luxemburg verbringen, damit von der Lohnsteuerstelle beim Lohnsteuervorabzug richtig abgerechnet werde. Denn hinterher den Ärger mit dem deutschen Finanzamt haben in erster Linie Sie selbst, und nicht Ihr Unternehmen.

In erster Linie stellt die neue Masche der Finanzbehörden ein Beschäftgungsprogramm dar für die Lohnbuchhaltung, die Steuerberater und die Gerichte.

Steuerlux: Die Seite für Luxemburg-Grenzgänger von Stephan Wonnebauer
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Aktuell:
(vb), Fünf Millionen Euro für das Trierer Finanzamt. Luxemburger Wort, 9. März 2011.

Sonntag, 20. Februar 2011

Die Guttenberg-Fibel. Oder: Wie dissertiert man zeitgemäß?

Der deutsche Verteidigungsminister macht für jeden ein für alle Mal klar, dass akademische Titel wie militärische Orden nichts mehr taugen. Eine gut geschmierte Publicity-Maschine ist alles, worauf es heutzutage ankommt. Ein Politiker ist schließlich nichts anderes als ein Bauer oder Biogärtner, der aus Mist Geld macht.

Außerdem ist das geistige Privateigentum nicht mehr zeitgemäß. Wie schon Proudhon sagte: Eigentum ist Diebstahl. Oder frei nach Guttenberg: Diebstahl ist Eigentum.

Das Urheberrecht ist ja nur da, um die privaten Verleger, so wie Bertelsmann oder etwa Springer, vor dem finanziellen Ruin zu retten.

Dem Verteidigungsminister gebührt nicht zuletzt das Verdienst, einen neuen Elan in die deutschen Schulen gebracht zu haben: "Mach es wie der Guttenberg!" Man muss nicht selber alles verstehen, was man mit CopyundPaste aus dem Internet holt. Noch nicht einmal gelesen haben. In der freien Marktwirtschaft findet sich noch immer ein akademischer Proletarier, der seine vorgeschriebenen Investitionen in den offiziellen Bildungsgang zum niedrigsten Marktpreis zu liquidieren strebt.

Also wenn man das, was hier ans Licht kommt, mit den Seifenopern im deutschen Fernsehen vergleicht, bleibt alles noch im grünen Bereich. Solange kein Sex im Spiel ist, ist all das für den Normalbürger reichlich uninteressant. Denn so schnell lässt sich ein Deutscher nicht seinen guten Schlaf oder seinen Glauben in den militärischen Führer rauben.

Der Wiki zur Guttenberg-Fibel: GuttenPLag Wiki

Top auf dem Gebiet der Guttenberg-Fibel ist die Süddeutsche Zeitung. So zum Beispiel:

Thomas Steinfeld : Der leere Schein der Wissenschaft.


Nachtrag

"Wissenschaft äußert sich in Forschung und Lehre. Auch wenn sich Wissenschaft einer Definition wesensgemäß entzieht, so läßt sich mit dem Bundesverfassungsgericht doch wissenschaftliche Tätigkeit als alles das beschreiben, was nach Inhalt und Form als ernsthafter planungsmäßiger Versuch zur Ermittlung der Wahrheit anzusehen ist (BVerfGE 35, 79 (113)). Das methodenkritische Streben nach Erkenntnis (Forschung) und die systematisch angelegte Weitergabe und Verbreitung des Erkannten (Lehre) stehen demnach unter dem Gebot der Wahrhaftigkeit. Wissenschaftliches Fehlverhalten ist mit diesem Gebot nicht vereinbar."

Regeln zum Umgang mit wissenschaftlichem Fehlverhalten an der Universität Bayreuth

Die Juristensprache an sich ist dogmatisch und als solche von Essentialismen verseucht. Es wird im oben zitierten Beispiel unterstellt, es gebe ein Wesen der Wissenschaft, und dieses Wesen äußere sich nach außen, nämlich in Forschung und Lehre. Gewissermaßen erleben wir damit eine Kernspaltung des Wesens der Wissenschaft.

Nach hergebrachter Denkweise, die auf Aristoteles zurückgeführt wird, wird das Wesen der Dinge durch eine Definition festgestellt, die die wesentlichen Merkmale desselben erschöpfend auflistet.

Die neue Pointe aus Bayreuth: Wissenschaft habe nun zum Wesen, dass sie sich einer Definition entziehe.

Diese negative Verkehrung des Essentialismus könnte man demnach als essentialistischen Anti-Essentialismus begreifen. Oder als kläglich scheiterndes Bemühen, einen überholten Methodenansatz abzuschütteln, ohne zu wissen, wie man ihn wirklich aus seinem Kopf verbanne, d.h. wie man auch anders, abseits der herkömmlichen, ausgetretenen Trampelpfade, methodisch denken könne (Methodenkritik, Methodenpluralismus).

Die Sache nimmt vom juristischen Wesen sodann eine Wendung ins Moralisch-Religiöse. Wahrheit wird seit Aristoteles als die Übereinstimmung von Denken und Wirklichkeit verstanden. Diese Wahrheit, die Wissenschaft ("ernsthaft") suchen soll, wird im nächsten Schritt in die Frage der Wahrhaftigkeit umgedreht. Wissenschaft kann aber nicht wahrhaftig sein; wahrhaftig kann nur jemand sein, der zu uns spricht, gemeinhin ein Mensch, hier etwa ein Wissenschafter. Oder auch ein Politiker, wobei letzterem gemeinhin etwas andere Maßstäbe des moralischen Verhaltens angelegt werden. Überhaupt wird damit erst, durch den Übergang vom Wesen (Idee?!) der Wissenschaft zu den Leuten, die Wissenschaft betreiben, die Beziehung zu "wissenschaftlichem Fehlverhalten" hergestellt.

"Fehlverhalten" kann man juristisch oder soziologisch begreifen. Entweder als Verstoß gegen eine fixierte Rechtsnorm, mit oder ohne Bewusstsein oder Absicht. Oder als "abweichendes" Verhalten in Gegensatz zu einem normkonformen Verhalten.

Vielleicht sollte die Universität Bayreuth sich erst einmal darüber klar werden, was ihr hier "wesentlich" ist. In einer gewissen Beziehung scheinen die Anti-Essentialisten wie Ernst Topitsch oder Karl Popper Recht zu behalten, die hinter dem Gebrauch essentialistischer Begründungen nichts weiter als ideologisch verdächtige Legitimierungsversuche erkennen können.