Montag, 7. Februar 2011

Luxemburg war einmal ARBED


 



"Il était une fois ..." Es war einmal... So titelt das neue forum-Heft, Nr. 304 vom Februar 2011. Es geht um Luxemburgs wirtschaftsgeschichtlichen Urspung, die Stahlindustrie. Und so wird mancheiner wohl erwarten, nichts weiter als um patriotische Nostalgie einer Minderheit im Lande.

Doch weit gefehlt. Die Stahlindustrie Luxemburgs hat bis vor Kurzem die soziale und politische Geschichte des Landes geprägt. Sie ist nicht nur wesentlich für die Identitätsbildung des "Luxemburgers", sondern auch für die Entstehung des Sozialstaates Luxemburg und sein Wandel im Laufe der Zeit. So könnte die Gesetzesänderung durch Luc Frieden, womit die feindliche Übernahme von Arcelor durch Mittal gesetzlich zugelassen wurde, als der Übergang Luxemburgs vom rheinischen Kapitalismus zum Kasinokapitalismus gekennzeichnet werden.

Luxemburgs Stahlindustrie ist zum überwiegenden Teil die Geschichte von ARBED. Entsprechend benannt ist das spezielle forum-Dossier. 1837 eröffnete die Eisenhütte von Berbourg, am Ufer der Syr bei Wecker gelegen, dieses Stück Industriegeschichte. 1845 folgt die Fabrik in Eich von Auguste Metz & Cie. Nachdem 1859 bis 1862 in Luxemburg die ersten Eisenbahnlinien eröffnet werden, beginnt in Dudelange zum ersten Mal die Stahlproduktion in Luxemburg.

Am 30. Oktober 1911 wird schließlich die ARBED-Gesellschaft begründet. La Société anonyme des mines du Luxembourg et des forges de Sarrebruck, la Société des Forges d'Eich, Legallais, Metz & Cie et la société anonyme des hauts-fourneaux et forges de Dudelange vereinigen sich damit unter der Firma: Aciéries réunies de Burbach-Eich-Dudelange). Am 30. August 1916 bildet sich das Syndicat luxembourgeois des ouvriers des mines et des usines, die 1917 3.500 Mitglieder zählt. Am 19. Dezember 1918 organisiert sich das Patronat als Fédération des industriels luxembourgeois (Fédil).

Es kann nicht vollständig und in ausführlicher Weise auf all die geschichtlich interessanten Details eingegangen werden, die im Dossier dargestellt werden. Robert L. Philippart behandelt den ARBED-Palast am Rosengärtchen, der noch immer als Sitz von ArcelorMittal angesehen wird (zum Beispiel von demonstrierenden Stahlarbeitern aus Belgien), obwohl die Verwaltung längst ein neues zeitgenössisches Domizil bezogen hat. Dieser Palast hat zumindest für Demonstranten die Bequemlichkeit, dass sich das Arbeitsministerium vis-à-vis befindet.

Gilles Regener untersucht den Bestand der ARBED im Nationalarchiv, womit auch diese nationale Institution wieder an das Tageslicht tritt.

Eine delikate Frage wirft die Rolle von ARBED während des Dritten Reiches bzw. der Besetzung Luxemburgs durch die Wehrmacht und die Verwaltung durch den Gauleiter Simon auf.

Mehr technologiegeschichtlicher Art sind die Beiträge von Christoph Knebeler über die Innovationen der ARBED bei der Stahlgewinnung oder die Geschichte, die Guy Bock über die Auswanderung eines Hochofens nach China erzählt.

Direkte Akteure kommen zu Wort in den Beiträgen von John Castegnaro, zuletzt Gewerkschaftsvertreter im Verwaltungsrat von Arcelor, und Guy Dollé, einem Mitglied der Geschäftsleitung von Arcelor.

Alles in allem muss man sagen, dass dieses neue forum-Heft seine 6 Euro wert ist. Wer echt an Luxemburgs Geschichte interessiert ist, sollte sich das Heft kaufen, solange es noch am Kiosk um die Ecke vorrätig ist.
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