Donnerstag, 24. April 2008

Petitionskrieg: Sterbehilfe für die Regierung?

Sammeln Regierungsleute Unterschriften gegen das mehrheitlich beschlossene Gesetzesvorhaben der Volksvertreter?!

Sterbehilfe im Sinne des aktiven oder passiven Beendens des Lebens eines Mitmenschen auf dessen eigenes Verlangen oder Verfügung ist zu unterscheiden von Euthanasie, welche als Vernichtungsprogramm von den deutschen Nazis praktiziert wurde. Die Nazis töteten hierbei die Menschen entgegen deren Willen, was also nichts weiter als systematisch betriebener Mord darstellte.

In Luxemburg ist sich eine Mehrheit von Parlamentariern aus den verschiedensten Parteien darin einig geworden, dass in bestimmten Fällen Sterbehilfe Not tut, und dass diese heikle Frage dringend durch ein Gesetz geregelt werden müsse.

 

Nun ist mit Sicherheit diese Frage ein dringlicheres Problem als die Frage der Leihfahrräder, die immer noch im Stadtparlament als Weltanschauungs-Posse reinszeniert wird. Denn Laurent Mosar (CSV) hat ein neues Härchen in der Suppe ausgemacht. Die Zahlautomaten seien bei Bezahlung mit Kreditkarten nicht sicher. Das stellt also die neue Hamlet-Frage: Kreditkarte oder Fahrradfahren? Es ist, wie wenn man die Gesundheitsregel: Bei Trunkenheit nicht baden gehen! so auslegt, dass man künftig aufs Baden verzichten solle.

Die Initiative zu dem neuen, ernsthaften Gesetz kam mitten aus dem Parlament, was sowieso schon Seltenheitswert hat. Ansonsten werden nämlich die Gesetzesnetwürfe in schöner Regelmäßigkeit von der Regierung eingebracht, und die Regierungsmehrheit braucht dann nur noch abzunicken, wenn sie überhaupt den verzweifelten Versuch gestartet hat, dahinter zu kommen, was da gerade beschlossen worden ist. Aber man ist ja wenigstens formell gefragt worden.

Jetzt hat indessen eine Parlamentsmehrheit ein Gesetz beschlossen, das zumindest der größeren Regierungspartei zumindest so nicht in den ethischen Kram passte. Freilich hatte die Regierung zuvor erklärt, diese heikle Sache sei eine persönliche Gewissensfrage und es sei jedem Abgeordneten überlassen, wie er sich entscheide.

Nun, da ein nicht genehmes Abstimmungsergebnis herausgekommen ist, beginnt die Regierungspartei auf Zeit zu spielen. Es werden Unstimmigkeiten und sonst was gesucht. Die Ärzte erklären sich zwar als Verband mehrheitlich gegen aktive Sterbehilfe, weil sie sich in Konflikt sehen zu ihrer Berufsethik und ihr Vertrauensverhältnis zum Patienten in Gefahr sehen. Andererseits wollen sie sich einem von der Volksvertretung beschlossenen Gesetz nicht entgegenstellen, wenn nur ihre Verantwortlichkeit klar definiert wird. Sie wollen sich nicht hinterher in jedem Fall mit einem Untersuchungsgericht konfrontiert.sehen.

Was können die Gegner dieses Gesetzes machen? Sie können gegen die Volksvertretung an das Volk appellieren; man veranstaltet eine Unterschriftenaktion. Doch was die Gegner können, können die Befürworter auch. Es laufen also zurzeit zwei Unterschriftenaktionen.

Es muss kritisch hinterfragt werden, ob die Polarisierung zwischen Sterbehilfe und Palliativmedizin sachlich gerechtfertigt ist und nicht vielmehr von denjenigen als scheinbar logisch inkompatibel behauptet wird, die an der Förderung eines solchen falschen Konfliktes Interesse haben.

 
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Für Kai Haucke "hat der Hospizgedanke einer palliativen Begleitung moralisch ein Vorrecht, weil es ihm darum geht, diese Ausweglosigkeit bereits präventiv zu vermeiden. Da das nicht immer gelingt, bleibt der Suizid (ob nun allein, unterstützt oder auf Verlangen) eine ethisch relevante Option, was natürlich voraussetzt, dass die Selbsttötung eine vernünftige Handlung sein kann, d.h. nicht nur sinnvoll und nachvollziehbar ist, sondern unter bestimmten Umständen eine moralisch legitime Reaktion darstellt."

Denn gerade die moralische Diskreditierung der aktiven Sterbehilfe fügt dem Hospizgedanken Schaden zu. Denn ohne eine bedingte moralische Akzeptanz einer Tötung auf Verlangen muss die Hospizbewegung eine umfassende Kontrolle und Machbarkeit des Sterbens und Leidens proklamieren und verliert dadurch all ihre Glaubwürdigkeit.


Kai Haucke: Aktive Sterbehilfe vs. Sterbebegleitung? Anmerkungen zu einer scheinbaren Alternative
Aufklärung und Kritik 2/2007, ISSN 0945-6627
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