Montag, 27. Oktober 2008

Luxemburg – eine Nation mit schriftloser Kultur

Luxemburgisch ist zwar mittlerweile per Gesetz als Nationalsprache anerkannt. Gelehrt wird es allerdings bislang nur in der Vorschule. Traditionell wird Luxemburgisch auch eher als eine gesprochene als eine Schriftsprache angesehen, so dass auch selbst Luxemburger bislang nur selten das Bedürfnis verspürt haben, sich Luxemburger Rechtschreibung beizubringen oder gar ein Buch in luxemburgischer Sprache zu lesen. Die Sprachprüfungen für Einwohner, die die entsprechende Staatsangehörigkeit erwerben wollen, mutet von daher schon etwas grotesk an.


Sei dem nun, wie es sei. Von Luxemburger Intellektuellen wird den eigenen Leuten, aber auch den staatlichen Entscheidern, nicht selten ein gebrochenes Verhältnis zur Schriftkultur vorgeworfen. Drehe es sich hierbei um die vorsintflutliche Unterbringung von staatlichem Archivmaterial, etwa in Tiefgaragen oder im Wohnzimmerschrank der scheidenden Regierungsbeamten. Oder etwa im marginalen Angebot von öffentlichen Büchereien für ein Lesepublikum, das wohl erst noch aufgebaut werden muss. Man muss nur die Öffnungszeiten sowie die Frequentierung der Nationalbibliothek Luxemburgs mit denjenigen der Universitätsbibliothek Trier vergleichen, um einen Eindruck vom Stellenwert des Bücherlesens im Leben der Luxemburger zu gewinnen.

In dieses Landschaftsbild passt denn auch, wie regierungsamtlich mit dem Ausbau der Nationalbibliothek umgesprungen wird. Sie soll neugebaut werden, aber erst beginnend ab 2013 auf dem Gelände des Schuman-Gebäudes auf Kirchberg, das noch nicht abgerissen werden kann, da noch 600 EU-Parlaments Beamte sich dort aufhalten. Bis dass die Nationalbibliothek dann fertiggestellt sein wird, kann es daher noch bis 2025 dauern.

Von Das Elend des Globalismus


Nach dem Gesetz von 2004 soll die Nationalbibliothek auch die Funktion einer Universitätsbibliothek erfüllen. Sollen die Studenten dann vom Universitäts Campus auf Esch Belval auf Kirchberg kommen, um sich ein Buch auszuleihen?! Aber wenn die Studenten bis 2025 ausharren, ist bis dahin auch vielleicht die Straßenbahn und die direkte Zugverbindung von Belval direkt in die Stadt fertig. Was für ein Spaß dann, in Luxemburg zu studieren!

Universität Trier

5 Kommentare:

meffo hat gesagt…

vgl. dazu
Michel Pauly, Die Nationalbibliothek trägt Trauerflor,
forum Okt. 1994
http://www.forum.lu/pdf/artikel/3340_154_Pauly.pdf

meffo hat gesagt…

Ich resümiere nachstehend einige Infos aus:

Jean-Marie Reding: Nicht bekennen, sondern erkennen. 100 Jahre Volksbildungsbewegung, die Geschichte eines Wettkampfs. d'Land 31.10.2008, S. 22 ff.

Die Versorgung der Luxemburger Bevölkerung mit Lesematerial ist von Anbeginn an ein Kulturkampf zwischen klerikalen Anbietern und einer eher bildungsbürgerlichen und sozialreformerischen Bewegung. Im Jahre 1908 war der Linksblock bei den Wahlen erfolgreich; gleichzeitig mit ihm wurde in der Stadt Luxemburg der Volksbildungsverein gegründet. Noch in der Gründunjgsversammlung hilet Frantz Clement einen Vortrag über Volksbibliotheken. Der Katholische Volksverein war schon 1903 gegründet und arbeitete mit Wanderbibliotheken. Während letzterer vom katholischen Borromäusverein in Bonn unterstützt wurde (gegründet 1844, in Luxemburg ab 1847 aktiv), wurde der andere durch die deutsche Gesellschaft für Verbreitung von Volksbildung (gegr. 1871).

Literarischen Niederschlag fand diese Geschichte in folgenden Schriften:
Volksbildungskalender 1913-1929,
25 Jahre Escher Volksbildungsverein,
d'Land Nr. 37-38/1958
Almanach culturel 1968
Galerie Nr. 4/1998

Vom katholischen Vereins- und Pfarrbibliuothekswesen ist nur noch übrig geblieben die Pfarrbibliothek im Stadtteil Limpertsberg, die seit 1909 immer noch ehrenamtlich geführt wird.
Auf der andere Seite der Front gibt es auch nur noch einen einzigen aufrehcten Kämpfer, das Centre culturel d'éducation populaire de Bonnevoie (CCEPB) im Stadtteil Bonneweg.

Diesem war per Erlass vom 15.1.2007 die Befreiung von der Bibliothekstantiem zugestanden, die hernach am 31.3.2008 abgenommen und der Pfarrbibliothek in Limpertsberg zugestanden wurde.

Dieselbe katholische Kulturhegemonie beklagt auch Romain Hilgert (S. 26, "Ancien Régime") gegenüber der Nationalbibliothek, welche es verabsäume, in Katalogen und Verzeichnissen auf die Texte hinzuuweisen, die im "Land" veröffentlicht werden.

Dafür sind im Dossier "Luxemburgensia / Lëtzebuerger Bibliothéiken" bei d'Land einschlägige Beiträge online verfügbar!

http://www.land.lu/html/dossiers/dossier_luxemburgensia/indexbibliotheiken.html

meffo hat gesagt…

Immerhin, das Material vom Deutschherrenorden Luxemburg aus der Zeit von 1249 bis 1793 ist schon online verfügbar!

Archives nationales de Luxembourg,
http://anlux.lu

meffo hat gesagt…

Die BnL platzt aus allen Nähten,
Tom Wenandy
http://news.tageblatt.lu/print.php?a=7231

meffo hat gesagt…

Ben Fayot, Urgence pour la Bibliothèque nationale et universitaire, d'Land 07.11.2008, S. 18f

Neu begründet durch das Gesetz von 1988 über die Kultureinrichtungen, hat das Gesetz vom 25. Juni 2004 daraus eine Bibliothek gemacht zur Forschung und zur zentralen Einrichtung über alles, was es über Luxemburg zu wissen gibt.

Die Realität ist allerdings fern ab davon, was man heutzutage von einer Kulturnation erwarten dürfte, zumal von einer Wissensgesellschaft, wo die geistige Produktion zur Grundvoraussetzung des nationalen Wohlstands rechnet.

Als die Nationabibliothek 1973 in die Gebäude des ehemaligen Jesuitenseminars Athenée an der Rue Notre Dame eingezogen ist, war bereits die Raumsituation unzureichend.

Die Regierung hält noch immer an dem Szenario fest, dass sie den Neubau der Nationalbibliothek auf dem Gelände des jetzigen Robert Schuman Gebäudes abhängig macht davon, dass die dort beherbergten 600 Beamte des Europaparlamentes eine andere Bleibe gefunden haben.

Da das Projekt Konrad Adenauer Gebäude, wohin diese Beamte ziehen sollen, voraussichtloich nicht vor 2013 fertig gestellt sein wird - zwischenzeitlich sind im Haushaltsplan 2009 sogar 750.000 € für die Anpassung des Schuman Gebäudes an die Bedürfnisse der Beamten vorgesehen! - ist realistisch gesehen nicht vor einer Fertigstellung des geplanten Bibliotheksgebäudes vor 2020 bzw. 2025 zu rechnen.

Zwischenzeitlich dürfte der Bibliotheksbetrieb schier ganz zum Erliegen gekommen sein, mangels geeigneten Räumen und qualifizierten Personals.

Mittlerweile wurde die Stadtbibliothek (Bibliothèque municipale) an anderer Stelle neu eröffnet. Sie bietet ihren Nutzern weitaus mehr Komfort und Service.

3, Rue Genistre, (nahe Place d'Armes)
di - fr 10-19 Uhr sa 10-18 Uhr
Tel. 47 96 27 32, E-Mail: bibliotheque@vdl.lu, www.vdl.lu

Elisabeth Schmit, Die Wohlfühlbibliothek, d'Land 07.11.2008, S. 24