Freitag, 20. Juni 2008

Durch Werbung finanzierte Medien in Luxemburg

Die Schlacht um den Luxemburger Werbemarkt ist neulich mit dem Start zweier Gratiszeitungen am 10. Oktober 2007 in eine neue heiße Phase eingetreten.

 


Beide von montags bis freitags täglich kostenlos auf Bahnhöfen und an Straßenecken ausliegenden Zeitungen erscheinen in Französisch und wenden sich in der Hauptsache an frankophone Grenzgänger und die Nichtleser ihrer respektiven Mutterzeitungen – in der Hoffnung, durch die Gratisgabe nicht allzu sehr die eigene Stammleserschaft von d'Wort und Tageblatt zu kannibalisieren. L'Essentiel wird von EDITA SA in Differdingen herausgegeben; hieran sind Editpress SA (Tageblatt Verlag) sowie die Schweizer Tamedia beteiligt. Point24 erscheint seit dem 27. November 2007 bei der Gruppe Saint Paul Luxembourg.

Seit 2001/2002 gibt es für frankophone respektive germanophone Grenzgänger zweierlei Internetforen, www.lesfrontaliers.lu sowie in deutscher Sprache diegrenzgaenger.lu, herausgegeben seinerzeit von Neofacto sarl, einem Startup Unternehmen innerhalb des Technologiepark Schlossgarten in Esch sur Alzette.

Nachdem Neofacto sarl eingestellt wurde, gingen die Websites auf Neonline sarl über; diese Gesellschaft wurde soeben um den Jahreswechsel herum von New Media Lux aufgekauft, einer Gesellschaft von Bob Hochmuth und Charles Ruppert. Beide Männer hatten soeben die Werbeagentur Advantage übernommen, nachdem sich die Saint Paul Gruppe aus ihrer seinerzeitigen Ausgründung zurückgezogen hatte. Dabei war das Kapital von New Media Lux auf 1 Million Euro erhöht worden. Charles Ruppert hat 570.000 Euro beigesteuert, davon 125.000 Euro in bar für das laufende Geschäftskonto und 445.000 Euro in Form von Advantage-Aktien. AD'Net von Bob Hochmuth, eine Schiffverleihfirma und Agentur, platziert 120.000 Euro. Auch hier wird bereits aufgewandtes Bargeld in Aktien umgewandelt. N40 ist eine Gesellschaft der lothringischen Gründer von Neofacto und Neonline sarl; sie sind beteiligt mit 100.000 Euro in Form einer Forderungsumwandlung.

Über die Urheberrechte an dem alten Content von diegrenzgaenger.lu ist nach dem Relaunch durch Neonline SA sogleich ein Rechtsstreit entbrannt. Bob Hochmuth hatte dem Autor, bekannt unter dem Pseudo "Meffo", fristlos gekündigt, angeblich weil dieser sich vehement in demselben Forum gegen die definitive Kommerzialisierung der Grenzgänger-Plattform ausgesprochen und seine tragenden Beiträge dortselbst eingestellt hatte. Vielleicht ging es aber auch einfach bloß um die Frage der vertraglich ausbedungenen Abfindung. Meffos Anwalt ist gleichweg der Auffassung, dass Neonline SA nicht einen Vertrag kündigen kann, welcher von Neofacto geschlossen worden war. Folglich wird von dem heutigen Betreiber von diegrenzgaenger.lu unter Verzugsetzung die Löschung der urheberrechtlich relevanten Beiträge aus der Hand Meffos gefordert, was sich auf so gut wie fast alle archivierten Textbeiträge bezöge.

Zuguterletzt meldet sich auch die deutsche Seite zu Wort, mit Herausgabe einer "Luxemburger Stimme" für den Osten und Norden Luxemburgs ab Mai 2008. Treibende Kraft ist hierbei Sven Herzog, bereits bekannt u.a. durch Projekte wie die Regionalsender für das Grenzgebiet (Antenne West, Antenne Luxembourg TV) sowie einer Party Funwebsite für den Raum Trier.

Daneben gibt es schon immer aus Grevenmacher ein bewährtes Anzeigenblatt mit Familien- und Vereinsnachrichten, "Die Muselzeidung" bzw."Die Sauerzeidung".

Es stellt sich die Frage, wenn man Aufklärung im Sinne Immanuel Kants (d.h. den Mut aufzubringen, die eigene Vernunft zu gebrauchen und gegen alle hergebrachte Autoritäten offen Kritik zu üben) versteht, ob die Medien heutzutage dieser hohen Aufgabe gerecht werden – seien sie nun Lautsprecher politischer Positionen, wie in Luxemburg bei der gedruckten Presse seit jeher üblich, seien sie nun wie neuerdings epidemisch durch Reklame treibende Firmen gesponsert. Unternehmen, die Werbeaktionen finanzieren, sehen dies im Allgemeinen als eine Investition an, die in ihrem besonderen Interesse liegen muss. Wer glaubt, dass dabei nebenbei auch noch eine mündiger Bürger herauskommt, glaubt wohl auch an Klapperstorch und Weihnachtsmann.

Und die Zeiten, wo das Internet noch die Hoffnung barg auf demokratische Kommunikation aller mit allen und damit auch der definitive Sieg von Pluralismus und Freiheit der Meinungen, sind wohl nach der nahezu perfekt gelungenen Kommerzialisierung des WWW sowie dem Siegeszug der „Urheberrechte“, genauer: des Privateigentums an kulturellen Artefakten, endgültig vergessen und vorbei.

-meffo

Quellen:

Hochmuth rachète lesfrontaliers.lu, L’Essentiel 13.12.2007

Eine Webcommunity verkauft sich nicht, (meffo)

De te fabula narratur! Kommunikation in Luxemburg, (meffo)

Wie Phönix aus der Asche, (meffo)

Vp, Chassé-croisé, Digest, d’Land 16. Mai 2008



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3 Kommentare:

meffo hat gesagt…

d'Land 04/07/2008 mledet, dass nach der neuesten Plurimedia Reichweiten Messung zu L'Essentiel (23,7%) mehr Leser griffen als zu Tageblatt (14,1%) und Quotidien (7,1%). D#Wort, Tageblatt, d'Land und Revue schreiben überwiegend in Deutsch und verloren 2 bis einen halben %-Punkt. Lange Zeit war der Feierkrop gewachsen; nun verliert auch er 2,4%. Die frankophone Presse blieb stabil. RTL Radio hat 5% verloren.
Das deutsche Fernsehen wird jedoch in Luxmeburg immer noch vorgezogen, entgegen dem Sprachentrend bei den gedruckten Presse.

Eine Übersicht bietet
Lëscht vu Lëtzebuerger Zeitungen,
http://lb.wikipedia.org/wiki/L%C3%ABscht_vu_L%C3%ABtzebuerger_Zeitungen

meffo hat gesagt…

„eines der Hauptprobleme, wenn Firmen Kontrollfunktionen übernehmen. Die Regeln sind oft unklar, ihre Durchsetzung ist uneinheitlich. Nutzer-Profile werden auch ohne Vorwarnung gelöscht. Ob Beschwerden berücksichtigt werden, liegt allein im Ermessen des Anbieters.“

Im Cyberspace verschwindet die Freiheit
Privatwirtschaft übernimmt immer öfter Kontrollfunktionen - Kriterien oft unklar
Anick Jesdanum, AP 08.07.2008

http://www.heute.de/ZDFheute/inhalt/25/0,3672,7263161,00.html

meffo hat gesagt…

Portale im Nutzerdilemma:

"Die großen Online-Netzwerke stecken allesamt in einem Nutzerdilemma. Denn bisher hat noch kein Betreiber einen Königsweg gefunden, die beeindruckenden Nutzerzahlen und Seitenaufrufe in entsprechend hohe Einnahmen umzusetzen. Es fehlt noch immer ein schlüssiges Geschäftsmodell."

"Wer-kennt-wen" - nicht?
Koblenzer Online-Netzwerk sorgt für Furore im Internet, * 29.08.2008



von Alfred Krüger,
http://www.heute.de/ZDFheute/inhalt/16/0,3672,7299920,00.html